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28.August 2001

Hola amigos y amigas

Von Perth (Australien) sind wir nach Miami weiter gezogen, wo wir einige Zeit bei Freunden in Miami Beach unterkommen konnten. Hier mussten wir erstmal eine Standortbestimmung machen, wie es eigentlich weitergehen sollte und verbrachten, wegen der unertraeglichen Hitze, die meiste Zeit im klimatisierten Appartementhaus. Da wir nun schon mal in den USA waren, beschlossen wir doch noch Chrigis Bruederchen in New York einen Besuch abzustatten. Wir verbrachten 10 herrliche Tage im Big Apple und muessen sagen, dass NY wirklich etwas Spezielles an sich hat. Der Kommentar zu Miami ist dann schon eher (Gemaess eines Zitats eines Kubafluechtlings): "Miami ist wie Kuba nur mit Geld und Essen".

Danach gings dann weiter auf die Halbinsel Yucatan (Mexico) wo wir, nachdem wir "the Cancun" und die "Riviera Maya" (Karibikkueste) hinter uns gelassen hatten, wieder ins echte Lateinamerika eintauchten. Kaputt-Dreckig-Haengematte, so hats Billy mal auf den Punkt gebracht, als wir ueber den Grund des vermeintlichen Charms von lateinamerikanischen Doerfern diskutierten. Noch in keinem anderen mittelamerikanischen Land das wir bereist haben, sind uns die Haeuser im Allgemeinen so kaputt vorgekommen. Vielerorts blaettert die z.T. ausgeblichene Farbe ab. Der Verputz hat oft Risse oder broeckelt ab und immer wieder sind Loecher im Mauerwerk zu sehen. Das feuchte Klima laesst Moose oder Flechten auf der Fasade wachsen und der Regen hinterlaesst schwarze Spuren. Angebrachte Strukturen, Mauervorspruenge und Hausecken sind abgeschlagen, Fensterrahmen wurden ohne Sorgfalt gestrichen, manchmal fehlen einzelne "Lamellen" der Fenster oder sind zerbrochen und die Holztueren sind abgeschossen und rissig. Wie bei Wildwesthaeusern scheint die Seitenwand unwichtig zu sein, deshalb ist sie meist nur so weit angestrichen wie die Restfarbe gereicht hat oder Farbe fehlt gaenzlich. Es ist auch keine Seltenheit, dass bewohnte Haeuser (noch) nicht fertiggestellt sind oder dass auf dem Flachdach noch Armierungseisen hervorschauen.

Auf der Halbinsel Yucatan stehen in den Doerfern neben den (in ganz Mittelamerika gaengigen), in der Regel ziemlich abgeschossenen, schaebigen Backstein-Zementhauschen ploetzlich wieder Maya-Huetten mit Palmdach und Erdboden.

In Yucatan existiert einfach ein interessantes Gemisch, das uns immer wieder etwas verwirrt. Zum einen wirkt es, wie schon erwaehnt, so arm, kaputt und dreckig wie noch kein anderes Land in Mittelamerika das wir bisher bereist haben, aber das Leben an und fuer sich wirkt viel fortschrittlicher als in allen anderen Laendern. Auch der Tourismus ist viel weiter entwickelt, nicht die Infrastruktur, sondern die Mentalitaet der Leute und der Umgang mit dem Touristen an sich. Nachhaltigkeit und langfristiges Denken sind hier offenbar dem sonst in diesen Breiten vorherrschenden ab-cashen und uebers-ohr-hauen gewichen. So stehen wir manchmal fast etwas verloren da, wenn wir mit dem Bus irgendwo ankommen und nicht von penetranten Tunichtguten umringt werden, die uns irgendwohin schleppen wollen.

Hier laesst sich auch der Haengemattenverkaeufer mit einem einzigen Wort abwimmeln und das erst noch ohne dass er uns gleich verflucht. Und jetzt kommts Faustdick - es gibt sogar Fixpreise (!!!) - fuer viele Leistungen. Ein weisses Gesicht heisst hier nicht doppelter Preis. Alle bezahlen wirklich gleich viel (Eintritte, Bus, Schiff... ). Wir denken, dass das hier daran liegt, dass lokaler Tourismus existiert und viele Mexikaner selber auch Ferien machen. Bisher waren wir uns daran gewohnt, dass der Tourismus nur auf Westler ausgelegt ist und die werden wo immer moeglich abgerissen. Bis jetzt ist es deshalb immer wieder komisch den vermeintlichen Empenada-Verkaeufer und das Zimmer-Maedchen in der Rolle des trinkgeldgebenden, automietenden Touristen zu sehen. Wie immer versuchen wir uns wo moeglich von der Touristenroute wegzubewegen und einige Zeit an "offiziell" langweiligen Orten zu verbringen, dort wo sich halt das Leben abspielt. Das Angenehme dabei ist, dass die Leute hierzulande ausgesprochen freundlich und hilfsbereit sind, ohne Hintergedanken an schnelles Geld, das ist ein eher neues Phaenomen fuer uns.

Reisetagebuch, Samstag 4. August 2001:

Heute stand uns unser erster Bustrip in Mexiko bevor. Das Busterminal in Ciudad Cancun war heller und sauberer als ueblich. Keiner dieser schummrigen, mit Menschen ueberfuellten - "mir ist also gar nicht wohl"- Orte. Die Busse sahen auch in Ordnung aus, mehr oder weniger neue Cars, also keine Huehnerbusse. Unser Bus wurde ausgerufen und wir wurden (wie schon des oeftern) natuerlich an den schoenen Bussen vorbei zum hintersten, schaebigsten Bus gefuehrt - immerhin kein alter amerikanischer Schulbus - wir hatten also Hoffnung auf einen eigenen Sitz und wenigstens auf minimale Beinfreiheit. Nachdem die Rucksaecke im vor Dreck strotzenden Gepaeckfach verstaut waren, wurde der Motor angeworfen, begleitet von ohrenbetaeubendem Laerm und einer pechschwarzen Russwolke. Unter unseren Sitzen hoerte und spuerte man das Getriebe kratzen, als der Busfahrer den Gang reinwuergte - und los gings. Der Bus quaelte sich dann unter maechtigem Motorenlaerm in "Stop and Go"-Manier aus der Stadt. Vor jedem Rotlicht und Speedbump (in jedem Doerfchen gibts mindestens 5 davon) wurde scharf abgebremst, um dann wieder mit Vollgas zu beschleunigen - fuer die naechsten 100 Meter. Endlich dann auf dem Highway merkte man ein beunruhigendes Schwanken des Hinterteil des Busses - fuehlte sich an wie eine gebrochene Aufhaengung - aber wir machten uns keine Sorgen, denn der Bus wurde bestimmt vor 30 Jahren das letzte Mal gewartet.

Natuerlich verliessen wir den Highway wieder und fuhren von Dorf zu Dorf - es versprach eine laaaange Reise zu werden. Wir sassen so da, schwitzen vor uns hin, waehrend unser ganzer Koerper die dauernden Schuettel- und Schaukelbewegungen auszugleichen versuchte. Ploetzlich kam ein Flashback von all den Stunden die wir auf dieser Reise schon eingepfaercht in irgendwelchen Schrottbussen sitzend oder stehend verbracht hatten. Wir wollen uns echt nicht beklagen, denn in diesem Bus hat wenigstens jeder einen ganzen eigenen Sitz und Chrigi musste nicht die Knie bis zum Kinn hochziehen. Im Bus war es wie immer stickig und feuchtheiss, obwohl die altersschwache Klimaanlage auf Volltouren lief, das einzige was wirklich gekuehlt wurde, war Chrigis rechtes Ohr (was sich ungesund anfuehlte) da es sich dummerweise direkt auf der Hoehe der Lueftungsschlitze befand. Kondenswasser sammelte sich mit der Zeit an der sich ueber den Sitzen befindenden Metallleiste und tropfte verschiedenen Passagieren und auch Billy auf den Kopf. Die nervige und droehnende Mariachi-Schnulzen-Trompeten-Salsa-Musik aus den alten "chrosenden" Lautsprechern liess uns dann in eine Art Reise-Trance fallen. Irgendwo auf der Strecke stiegen dann die Eis-, Getraenke- und Empenada-Verkaeufer zu. Sehr geplegte Menschen, die wirklich appetitliche Esswaren feilboten, leider war alles zu tode fritiert und die Saeckchen mit frisch aufgeschnittenen Fruchtstueckchen erschienen uns etwas riskant. Irgendwo im Nirgendwo verliessen sie mit ihren Koerben wieder den Bus - und weiter gings entlang der abfallgesaeumten Strasse Richtung Kueste. Und nach etwas mehr als 3 Stunden und 150km erreichten wir Chiquila, von wo aus wir auf die Insel Holbox uebersetzten wo wir einige Tage am Strand verbringen wollten.

Das Dorf Holbox ist ein typisches mittelamerikanisches Dorf, das bis anhin vor allem mexikanischen Tourismus kennt. Um den in Pastellfarben gehaltenen Parque Central stehen einige Restaurants und Hotels. Die Haeuser dahinter sehen oft sehr renovierungsbeduerftig aus, ein neuer Anstrich waere oft wieder einmal angebracht oder man sollte sie ueberhaupt einmal ganz fertigstellen (siehe oben). Der ueberall herumliegende Abfall vervollstaendigt das Bild.

In den Haeusern haengen oft Haengematten, es laeuft der TV, an den Waenden haengen grosse, vergilbte, eingerahmte Familienfotos oder "Marienbildchen". Je nachdem ist das Wohnzimmer, das oft gleichzeitig das Schlafzimmer zu sein scheint, liebevoll (resp. fuer unseren Geschmack eher kitschig-billig) oder eher ungemuetlich und karg eingerichtet.

Auf den unebenen Sandstrassen fuhren zahlreiche Golfwagen, ein Zeitvertreib der den mexikanischen Touristenfamilien (man stelle sich vor, ein GANZER mexikanischer Familien-Clan, Mutter, Vater, Grossmutter, Onkel, Kinder... in einem Golfwagen) ausserordentlich viel Freude zu bereiten scheint, vor allem wenn das juengste Familienmitglied am Steuer sitzen darf. Nach der euro- und amitouristischen Isla Mujeres mit ihren zahlreichen Restaurants und Souveniershops fuehlte sich dieses dreckige und in unseren Augen kaputte Dorf eingenartig an, irgendwie unangenehm.

Mit der Hotelsuche verstaerkte sich das unangenehme Gefuehl. Im ersten Hotel in dem wir nach einem freien Zimmer fragten, erklaerte man uns, dass dies heute ziemlich aussichtslos sei, da Isla Holbox in den Sommerferien und vor allem am Wochenende ein beliebtes Ferien- und Ausflugsziel fuer Menschen aus den umliegenden Staedten sei. Es sei fast unmoeglich an einem Freitag oder Samstag ein Zimmer zu finden! Die Frau die uns diese Information gab meinte, dass wir jedoch Glueck haetten, da sie in Strandnaehe noch ein freies Cabana fuer den guten Preis vom 150 Pesos (ca. 30 Fr., ist hier der Normalpreis fuer eine einfache aber anstaendige und saubere Unterkunft mit eigenem Bad) habe. Gespannt gingen wir neben der etwas seltsamen, wenig gespraechigen und schlurfenden Frau her, die uns zu ihrem "Juwel" fuehrte. Das versiffte Loch laesst sich so beschreiben: Mit einer Kette, nicht ganz verschliessbare Eingangstuere, kaputte Moskitonetze vor dem Fenster, ein schmales, durchgelegenes Doppelbett ohne frische Leintuecher, ein an der Wand aufgestelltes kaputtes und ausgedientes Bett, kein Ventilator (dabei ist es in Yucatan vor allem waehrend der Regenzeit unertraeglich heiss), eine Toilette die man mit dem Wassereimer betaetigen muss, ein in den Raum offenes Badeszimmer (oben offen), das man nur mit einem schimmligen Duschvorhang verschliessen kann. Im Raum fehlt jegliche Dekoration, die dem Ganzen vielleicht noch etwas Charm verleihen wuerde und vor dem Cabana sieht es aus wie auf einer Schutthalde. Um hier auch nur eine Nacht zu bleiben, haette man UNS etwas zahlen muessen.

So marschierten wir in der bruetenden Hitze weiter von Hotel zu Hotel und fragten mit der Zeit nur noch sehr zaghaft nach freien Zimmern : "no tenemos cuartos libres" war jeweils die Antwort. Unsere Stimmung war auf den Nullpunkt gesunken. Nun waren wir auf dieser versifften Insel gefangen (es fuhr kein Schiff mehr) und wir fanden keine Unterkunft. Dabei hatten wir vor der Ankunft auf der Insel noch befuerchtet, dass uns am Hafen bereits mehrere Tunichtgute abpassen wuerden.

Als wir zum ungefaehr zehnten Mal ein Hotel erfolglos und entmutigt verliessen, rief uns der Besitzer ploetzlich zurueck. Sein amigo Pedro hatte noch ein freies Zimmer, das er uns zeigen wollte... Na ja, was blieb uns anderes uebrig als mitzugehen und schlimmer als das "Juwel" konnte es ja kaum sein. Das Zimmer befand sich in einem noch nicht fertiggestellten Gebaeude, das sehr wahrscheinlich einmal ein Hotel werden soll. Nachdem wir das Haus von Pedro passiert hatten, gelangten wir zu einer Art Baustelle. Ein Durchgang fuehrte in einen ueberdachten, halboffenen, dunklen Vorraum mit Erdboden. Im Vorraum stand ein aus rohen Backsteinwaenden gezimmertes Badezimmer das oben offen war mit WC (ohne Sitz) und Duschbrause an der Wand. Das hellblaue WC stand auf einem Sockel. Da die Dusche keinen wirklichen Ablauf hatte, stellte man sich auf eine Steinplatte eine rettende Insel im sich bildenden Abwassersee.

Die Waende im Zimmer das Pedro uns zeigte waren bereits verputzt, hatten aber noch keinen Anstrich. Der Raum wirkte trotz der Donald Duck Vorhaenge wie ein Kellerraum. In einer Ecke stand ein zugedeckter Gasgrill, in der anderen ein Tisch mit Plastikstuehlen. Hinter dem Tisch war ein auseinandergenommenes, buntes Bettgestell angelehnt, an der Decke baumelte ein notduerftig angebrachter Ventilator, die Moskitonetze waren wenigstens intakt und das Bett war mit einem frischem, geblumten Polyester-Leintuch ueberzogen. Nach dem trostlosem "Juwel" machte dieser grosse, saubere Kellerraum einen befriedigenden Eindruck und wir nahmen das Zimmer fuer 100 Pesos (20 Fr.).

Wir fuehlten uns erstaunlich wohl hier und waren ganz einfach froh ein Bett fuer die Nacht zu haben. Nach einem mittelmaessigem Abendessen sah die Welt wieder viel freundlicher aus und wir entschieden uns, doch noch einige Tage auf der Insel zu bleiben, anstatt am naechsten Morgen gleich wieder aufzubrechen.

Am naechsten Tag, fanden wir am Strand ein kleines Paradieshotel. Ein einstoeckiges, rundes, palmblattbedecktes Hotel, mit sechs Zimmern und einem Palmgarten. Vor unserem hellen, freundlich eingerichteten Zimmer im ersten Stock, mit harter, nicht durchgelegener Matratze (ist in Lateinamerika wirklich selten zu finden), war ein Balkon mit zwei Haengematten und Meeresblick..., was will man mehr!!! Als wir an diesem Tag durchs Dorf spazierten, sahen wir es nicht mehr nur als dreckiges, versifftes, kaputtes Drecksnest, sondern erfreuten uns seiner Andersartigkeit und dem bunten Treiben. So verbrachten wir einige geruhsame Tage ...

Tja, nun geht es dem Ende zu und ab mitte September ist's dann definitv fertig mit dem schoenen Leben und wir koennen euch dann wieder persoenlich mit unseren Erlebnissen langweilen.

Bis dann also ... Billy und Chrigi

PS: Der Reisetip Mexico, heute: Bring immer eine eigene WC-Brille mit !